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Im Herbst 2011 wurden im Park Kuenstraße/ Ecke Florastraße im Rahmen einer Parksanierung neue Parkbänke und Papierkörbe aufgestellt und eine 10qm große Fläche angrenzend an den Gehsteig asphaltiert. Aus der Frage nach dem Sinn dieses Platzes entwickelte die Künstlerin Stefanie Klingemann „10qm – ein Kunstprojekt im öffentlichen Raum Köln“. In Zusammenarbeit mit Diane Müller wurden ab April 2012 monatlich Künstler angefragt Arbeiten für den Ort zu konzipieren. Seit 2013 werden die künstlerischen Beiträge im Team mit dem Künstler Frank Bölter begleitet. Die Eröffnungen finden meist jeden letzten Freitag im Monat um 18 Uhr statt.

Kuenstraße Ecke Florastraße in Köln Nippes

www.10qm.de

Das folgende Gespräch wurde in der 10. Ausgabe von ‚MOFF – Kölner Künstler im Gespräch’ veröffentlicht.

Stefanie Klingemann: Ich weiß nicht, ob man dieses Phänomen erwähnen muss: Auf einmal waren da diese zehn Quadratmeter Asphaltfläche im Park, und selbst die Stadt wusste auf Nachfrage hin nicht, worum es sich dabei handelt. Das ist so eine Anekdote, nicht wahr? Letztendlich geht es nur darum, wie man als Künstler im Alltag durch seine Stadt geht. Das ist eine Stelle, an der ich jeden Tag mit dem Kinderwagen vorbeigeschoben bin. Irgendwann dachte ich: Hey, das ist schön und spannend, und ich habe so viele Fragen. Das ist genauso wie beim MOFF-Projekt: Als Künstlerin empfinde ich meine Arbeit als ein „Fragen-Stellen“. Nichts, was einen Punkt dahinter hat – sondern eigentlich immer nur Fragen. Und darauf folgt ein Weiterkommen.

Frank Bölter: Die Frage, warum das da ist und was damit passiert, hatte sich mit der Zeit erübrigt. Weil eben nichts passierte.

SK: Ich fand dieses kleine, nachbarschaftliche Örtchen mit dem kleinen Park, dem Kiosk und den Wohnhäuser einfach klasse, um eine weitere Frage in den Raum zu stellen, nämlich: Was könnte das sein?

FB: Die Gegend ist sehr befriedet. Da ist die Kirche gegenüber. Alles ist schön eingefasst: Der Rasen wird immer gemäht, die Hecken werden rechtzeitig geschnitten. Und es gibt diese Fläche, die auch umfriedet ist, aber wo nichts passiert. Das Interessante ist, daß dadurch, dass da was stattfindet, womit die Nachbarschaft erst mal nichts anfangen kann, die Leute kommen und fragen. Es entsteht ein Miteinander von Leuten, die sich bei einer normalen Ausstellungseröffnung eigentlich nicht unbedingt treffen … Es kommen Kunstleute, und gleichzeitig die Nachbarn. Das Ganze ist nicht eingespeist in eine Betriebsamkeit von Ausstellungseröffnungen und Museumsbesuchen, sondern passiert einfach beiläufig.

SK: Ein öffentlicher Park ist für die Öffentlichkeit da. Den eignen wir uns an: Wir spielen da mit unseren Kindern, joggen, gehen mit dem Hund spazieren. Da liegt es doch nahe, mit ein paar Quadratmetern Asphalt auch frei umzugehen. Ich finde total schön, dass anfangs alles von dem Wohnhaus gegenüber mit Argusaugen beobachtet wurde und mal das Ordnungsamt vorbeikam oder die Polizei. Heute kommt kein Ordnungsamt mehr – ganz im Gegenteil. Wenn jetzt nichts mehr passiert, kommen Fragen auf. Diese Entwicklung ist schön.

FB: Erst waren sie besorgt darüber, was da passiert. Jetzt sind sie besorgt, dass plötzlich nichts mehr passiert. Die Transformation des öffentlichen Raums, dieser zehn Quadratmeter, hat damit schon stattgefunden in den Köpfen der Nachbarschaft.

SK: Da kam ja auch mal jemand und meinte: „Ach, das ist ja so schön, dass die Stadt euch den Platz hingebaut hat, damit hier ein Ort für die Kunst ist.“

FB: Ja, das ist ein wunderbarer Beleg für diesen Prozess.

SK: Mein Grundgedanke oder meine Vision ist, dass die Künstler, die etwas sehen und machen wollen und müssen, das einfach machen. Mich wundert stets, dass so unglaublich brav agiert wird. Nämlich dass die Leute sich bewerben.

FB: Ja, das ist bizarr.

SK: Klar, da war auch mal ein Graffiti drauf. Und dann stand da dieser Koffer mit einem Zeichen oder einem Spruch. Das finde ich schon gut, wenn so etwas auch passiert. Das gehört auch dazu.

FB: Es passiert eben auch ein Unterwandern, ein kulturelles Infiltrieren. Diese Form von Betrieb, den wir da aufgezogen haben – du mehr als ich –, hat inzwischen durch die Regelmäßigkeit so etwas wie eine Kultur bekommen, eine Pflege. Und jetzt gibt es auch wieder ein Unterwandern der Pflege. Das ist mal interessant und mal auch nicht so interessant. Aber es gehört dazu.

SK: Apropos Pflege: Ich finde das immer sehr süß, wenn ich mit meinem Sohn Konrad da vorbeigehe. Manchmal sagt er: „Mama, sollen wir nicht mal wieder die zehn Quadratmeter fegen?“

FB: Super!

SK: Man muss solche Orte nicht setzen, sondern einfach nur finden, nicht wahr? Dass es in Köln so viel zu tun gibt, finde ich auch das Schöne für mich als Künstlerin.

FB: Das Finden dieser Plätze und Orte – und nicht das Kreieren von neuen Plätzen – versorgt, glaube ich, das Ganze mit solch einer Leichtigkeit. Dass die Dinge eben so nah an der Wirklichkeit sind, dass man sie fast übersieht.

SK: Also, die ganz simple Frage von irgendeinem Passanten oder Nachbarn: „Was ist denn daran Kunst?“ könntest du beantworten mit: „Ja, was ist denn hier sonst?“ Das ist ja eigentlich der Initiator des Ganzen: Was ist denn eigentlich hier, und wie stehe ich dazu?

FB: Manche Nachbarn gehen abends oft noch schnell einkaufen und sehen auf dem Rückweg, dass da dreißig Leute stehen – und auf der Fläche ist aber nichts oder nur ganz wenig, was dann übersehen wird. Es ist eben keine Skulptur. Wenn da der eine oder andere schon mal ins Museum gegangen ist und jetzt auf dem Platz steht, aber nichts sieht und dann über die unbeschnittene Hecke des Nachbarn spricht, dann ist das auch ein Signal. Es entsteht eine Art Unsicherheit durch die Anwesenheit einer Gruppe von Leuten, wegen vermeintlichem „Nichts“.

SK: Ganz schön, wie du das beschreibst. Gerade wenn dann nichts zu sehen ist, weil es vielleicht eine konzeptuelle Arbeit ist – wie die von Maik und Dirk Löbbert –, dann ist diese Aufmerksamkeit, die dieser kleine, beiläufige Platz in diesem beiläufigen, kleinen Parkstück erfährt, besonders schön und auch innig. Das macht dann wirklich Spaß. Das ist die Qualität des Ganzen.

FB: Es ist eben die Entdeckung des Beiläufigen im Lebensalltag. Das ist eben kein Museumsbesuch … Eigentlich ist es ein Gegenmodell zum Kulturbetrieb. Wie siehst du das?

SK: „Gegen“ und „für“, das impliziert ein Positionieren. Was ich grundsätzlich schätze, ist ein absolutes Selbstverständnis, mit der Kunst zu leben. Für mich ist die Kunst auch mein Leben, – und das ist gar nichts Besonderes und braucht keinen Sockel und keinen White Cube, kein Museum, keine Institutionen, keinen Befürworter, kein Label, kein Logo, sondern das ist einfach da. Und ich freue mich, das zu teilen.

FB: Du hast da eine wunderbare Gelassenheit. Das ist toll.

SK: Auch mit drei Nachbarn zu teilen, ist prima. Und dass der Herr von gegenüber jetzt einfach nicht mehr motzt, fantastisch!

 

 

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